Witch war das erste Buch, das ich von Lisa Lister gelesen habe, aber definitiv nicht das Letzte. (Stimmt wirklich, ich habe sofort zwei weitere Bücher von ihr danach gelesen.)
Auf den ersten Blick scheint Witch ein Buch über Hexen und (moderne) Magie zu sein. Auf den zweiten Blick offenbart sich aber, dass es so viel mehr als das ist. Es geht vielmehr um Spiritualität als Solches, um Weiblichkeit und nicht zuletzt auch auf die Auswirkungen des Patriarchats auf Frauen in früheren Jahrhunderten bis heute.
Zu Beginn stellt die Autorin erst einmal den Begriff Hexe selbst in Frage. Was macht eine Hexe aus? Wer ist eine Hexe? Und vor allem: wer bestimmt das?
Menschen, die sich als Hexen bezeichnen, beschäftigen sich auf jeden Fall mit Magie und Spiritualität. Doch in tieferem Sinne geht es meist nur zweitrangig darum, Rituale und Zaubersprüche zu wirken. Viel wichtiger ist es, die eigene Natur kennenzulernen und wieder in Einklang mit sich selbst zu kommen.
Seit Jahrhunderten ist der Begriff Hexe negativ belastet. Vor allem für Männer, die sich von starken, lauten, selbstbewussten Frauen in ihrer Macht bedroht fühlen, dient er bis heute als Schimpfwort. Wenn wir über Hexen reden, müssen wir also zwangsläufig auch über das Patriarchat reden. Wir müssen darüber reden, wie diese Gesellschaftsordnung Frauen seit Jahrhunderten benachteiligt, verletzt oder sogar tötet.
(Mir ist sehr wohl bewusst, dass nicht nur Frauen Hexen sind. Aber der Begriff Hexe als Denunzierung wird seit Jahrhunderten bis heute meistens bei Frauen oder weiblich gelesenen Personen angewandt.)

Lisa Lister regt uns in ihrem Buch Witch dazu an, den Begriff Hexe zurückzuerobern. Dabei geht es gar nicht vorrangig um das Praktizieren von Magie, sondern um dem inneren Ruf zu folgen. Ein Ruf der in uns vorhanden ist jedoch oft unterdrückt wird. Dieser Ruf ist ein anderer Begriff für die Leidenschaft für etwas, was wir wirklich aus ganzem Herzen tun wollen. Etwas was größer ist als wir selbst. Das kann, muss aber nicht, die Beschäftigung mit Spiritualität sein. Genauso kann darunter der Kampf gegen den Klimawandel fallen, das Erschaffen von Kunst, Bildungsarbeit um über wichtige Themen aufzuklären oder irgendetwas anderes, Hauptsache es kommt tief aus deinem Herzen.

Wir alle haben diesen Ruf, aber die meisten von uns sind daran gewöhnt, ihn zu betäuben. Indem wir uns anpassen, zurücknehmen und kleinmachen, nicht im Einklang mit unserem körpereigenen Zyklus bzw. Rhythmus leben, uns selbst nicht genug zutrauen oder einfach unser Licht dimmen, anstatt mutig, laut und stark zu sein. Der Preis dafür ist hoch, laut der Autorin führt die Unterdrückung des ureigenen Rufs zu körperlichen und psychischen Beschwerden und Krankheiten.
In ihrem Buch Witch beschreibt Lisa Lister Techniken, Rituale und ja, auch Zaubersprüche, um sich wieder stärker mit seiner ureigenen Natur zu beschäftigen. Das Ganze unterstreicht sie mit Anekdoten aus ihrem eigenen Leben, von ihrem persönlichen Weg zurück zu sich selbst. Das Besondere daran ist, dass sie es niemals als den einzigen Weg ausgibt. Vielmehr fordert sie uns unbedingt auf, viel auszuprobieren, unseren eigenen Gefühlen am meisten zu trauen (stärker noch als den Tipps in diesem Buch) und damit unseren ganz persönlichen Weg zu finden. Egal ob wir uns dann schlussendlich Hexen nennen oder nicht. Egal ob wir Magie praktizieren, die Jahreskreisfeste feiern oder nackt den Vollmond anheulen. Solange es niemandem schadet aber sich für dich gut anfühlt und dir hilft, dich wieder stärker mit dir selbst und deinem Ruf zu verbinden – go for it.
Neben einem reinem Ratgeber für dich persönlich, bietet dieses Buch aber auch einen guten Überblick über die moderne Form der Hexen und die unterschiedlichen Ausprägungen, die du heute noch findest. Wie oben schon erwähnt, stellt Lisa Lister die Verbindung zur Hexenverfolgung mit dem Aufstieg des Patriarchats dar und gibt uns einen Überblick über gängige Jahreskreisfeste und Rituale, vor allem der westlichen bzw. europäischen Hexen. Sie ermuntert uns aber stets, unseren eigenen Weg zu finden oder ggf. neu zu schaffen. Dabei weist sie jedoch auch auf das wichtige Thema der kulturellen Aneignung hin. Hexerei, Magie und Spiritualität beruhen auf jahrhundertealten Traditionen, daher ist es wichtig die Kultur der Magie selbst und der Menschen, die sie ursprünglich praktizieren, zu respektieren. Wichtig ist, herauszufinden was für dich aufgrund deiner Herkunft, deiner Wurzeln und deiner Lebensrealität passt, anstatt etwas zu übernehmen, was gerade lediglich im Trend liegt.

Dieses Buch fordert dich auf, dich selbst kennenzulernen, dich vollumfänglich anzunehmen und endlich wieder eine tiefe Beziehung zu dir selbst aufzubauen, sowohl körperlich als auch geistig. Diese Aufgabe wird nicht nach der Lektüre von Witch abgeschlossen sein, im Gegenteil. Dieses Buch bietet erst den Anfang dazu und sollte als Nachschlagewerk und Inspiration immer wieder neu zu Rate gezogen werden. Aber die Lektüre macht Lust drauf, den Weg zu sich selbst zu beschreiten um endlich die Schranken hinter uns zu lassen, die das Patriarchat, die Menschen um uns herum und wir selbst uns auferlegt haben und unsere ureigene Natur, Stärke und nicht zuletzt Magie wieder zu entdecken.
„This is about building a relationship of total love, appreciation and trust with yourself, your body and your psyche“
(Witch – Lisa Lister)
Kurzinfos zum Buch Witch von Lisa Lister
Sprache: Englisch
Erscheinungsjahr: 2017
Seitenzahl: 304

Viel Spaß beim Lesen!
Deine
