Dies ist eine Gastrezension von Sebastian Beier. Mehr zu Sebastian erfährst du am Ende des Beitrags.
Verkatert, verwirrt und frisch verlobt. So begegnen wir zum ersten Mal Kiem, einem der Hauptcharaktere aus „Winter‘s Orbit“.
Die Nachricht von seiner arrangierten Ehe erhält der junge Aristokrat einen Tag vor der Vermählung seiner Großmutter, der Kaiserin des Weltraum-Imperiums Iskat, deren am wenigsten geliebtes Enkelkind er ist.
Ihn zum Ehemann des Repräsentativen des Planeten Theas zu machen, empfindet er nicht nur auf Grund seines eigenen skandalbehafteten Lebens als überraschend, sondern auch etwas taktlos. Denn sein zukünftiger Partner, Graf Jainan, ist Witwer. Und sein erster Ehemann, Prinz Taam, gerade mal seit einem Monat tot.
Doch das Imperium steht kurz vor der Erneuerung eines Abkommens, welches ihm Handel und politische Beziehung mit anderen Sektoren in der Galaxie ermöglicht. Um dieses Abkommen schließen zu können, müssen alle Bündnisse mit den Vasall-Planeten unter Iskats Herrschaft – so auch der Planet Thea – traditionell durch politische Ehen belegt werden.
Und in genau so einer Ehe finden sich Kiem und Jainan nun wieder. So müssen sie nicht nur den durchaus unangenehmen Umstand navigieren, dass sie zwei völlig Fremde sind, welche für die Klatsch-Newslogs ein innig verliebtes Paar darstellen sollen, auf ihnen lastet außerdem noch die gesamte Verantwortung für das politische Gleichgewicht zwischen ihren Heimatplaneten.
Doch als sich herausstellt, dass Prinz Taams Flug-Absturz vielleicht gar kein Unfall war wird Jainan selbst als Saboteur verdächtigt. Wenn sie das komplexe Milieu des Iskater Hofes passieren, einen Mordfall lösen und einen interplanetaren Krieg verhindern wollen, haben sie keine andere Wahl als zusammen zu halten.

„Winter‘s Orbit“ glänzt vor allem durch eins: Seine Charaktere. Da das Buch praktisch mit der Hochzeit beginnt, lernen wir Kiem und Jainan kaum als einzelne Einheiten kennen. Das Porträt ihrer Persönlichkeiten zeichnet sich hauptsächlich dadurch, wie sie sich zueinander verhalten.
Von der unfallreichen Trauungszeremonie und den ersten Gesprächen wissen wir: Kiem trägt sein Herz auf der Zunge. Temperamentvoll, offen und mit einer Energie, die ihn kaum stillsitzen lässt. Mit seiner Rolle als Hauptdarsteller in den Negativ-Schlagzeilen der Presse scheint er sich abgefunden zu haben, aber seine Heirat mit einem Mann, der vorher eine fast Bilderbuch perfekte Ehe führte, lässt ihn verzweifelt versuchen, die hohe Messlatte zu erreichen und Jainan ein guter Partner zu sein.
Dieser ist ihm nämlich ein komplettes Gegenstück. Als wäre er wie für sein repräsentatives Amt geschaffen, wählt Jainan jedes Wort mit diplomatischem Feingefühl, stets bedacht auf die mögliche emotionale Reaktion seines Gegenübers. Schnell wird klar, dass sich hinter dem kühlen Exterieur mehr verbirgt, als er durchscheinen lässt. Und es ist gerade Kiems Extravertiertheit, die es schafft, Jainan aus der Reserve zu locken.
Aber es ist ein langsamer Prozess, begleitet von Misskommunikationen und den amüsierend-frustrierenden Versuchen der beiden, einander gerecht zu werden.
Auch beim Worldbuilding hat „Winters Orbit“ einige interessante Ideen zu bieten: Der Heimatplanet des Imperiums, Iskan V, wurde vor langer Zeit als Kolonie besiedelt und geterraformt, damit Menschen darauf überleben konnten. Tierspezies auf diesem Planeten haben sich also nicht natürlich entwickelt, sondern wurden designt. Die fleischfressenden Vögel, vor denen man sich in Acht nehmen muss, waren, laut Kiem, ein „seltsamer Design-Trend der ersten Siedler“, und das überdimensionale eidechsenartige Biest, dass zwischendurch versucht die beiden Hauptcharaktere zu töten, ist „offensichtlich ein Bär“. Oder etwas, was Bär genannt wird.
Wer auf Iskan V feststellen möchte, ob eine Person männlich, weiblich oder nicht-binär ist, muss lediglich darauf achten, ob der Schmuck, den die Person trägt, aus Holz, Feuerstein oder Glas besteht. Auf Thea hingegen ist das Geschlecht darüber erkennbar, wie der Knoten im Schal gebunden ist. Diese Beschreibung von Geschlechtsmarkierungen setzt sich mit der Idee auseinander, dass Geschlecht nichts weiter als etwas ist, was man darstellt oder vorführt, anstatt einer angeborenen Eigenschaft.
„Winter‘s Orbit“ ist kein weltveränderndes Buch. Es ist kein wahnsinniger Weltraum-Epos, der einen nach 200 Seiten Worldbuilding immer noch verwirrt zurücklässt, was denn jetzt der „Delta-Wellen Nano-Fragmentator“ genau macht.
Es hat aber genau das, was es brauchte, damit es mir in den Fingern juckte, es immer wieder weiterzulesen. Charaktere mit Substanz, mysteriöse Weltraum-Intrigen und ein Ende, das mich glücklich grinsend zurückließ.
Kurzinfo zu „Winter’s Orbit“ von Everina Maxwell
Sprache: Englisch
Erscheinungsjahr: 2021
Seitenzahl: 448 Seiten


Info zu unserem Gastautor Sebastian Beier (er/ihm)
Sebastian Beier studiert seit 3 Jahren an der Burg Giebichenstein Multimedia|VR-Design. Wenn er seine Freizeit nicht am Computer verbringt, ließt, schaut oder hört er gerne Geschichten, die von neuen, interessanten Welten handeln. Noch besser ist es wenn sie im Weltraum spielen.
Hier findest du Sebastian:
Der Artikel „Winters Orbit“ auf kohsie.de ist ein hervorragender Buchbesprechung, der das Buch auf eine sehr informative und unterhaltsame Weise präsentiert.
Der Autor zeigt ein tiefes Verständnis für das Buch und hebt die Stärken des Schreibstils, der Charakterentwicklung und der Handlung hervor. Besonders beeindruckend fand ich die Art und Weise, wie der Autor die Handlung des Buches beschrieben hat, ohne zu viele Details preiszugeben und somit das Lesevergnügen nicht zu verderben.
Was mir auch gefallen hat, war die persönliche Note des Autors. Durch das Einbringen von persönlichen Erfahrungen und Empfindungen wurde der Artikel zu einem einzigartigen und fesselnden Leseerlebnis.
Insgesamt ist „Winters Orbit“ eine hervorragende Buchbesprechung, die dem Leser einen detaillierten Einblick in das Buch gibt, ohne zu viel zu verraten. Der Autor hat das Buch auf eine sehr unterhaltsame Weise präsentiert und ich würde es auf jeden Fall jedem empfehlen, der auf der Suche nach einem neuen Lesevergnügen ist.