Shirley Jackson gilt als die Horror-Königin, die viele andere Autor:innen inspiriert hat, darunter auch Stephen King oder Neil Gaiman. Grund genug für mich als Horrorroman-Fan, mir zwei Bücher der Autorin näher anzusehen.

Im Festa-Verlag wurden im Frühjahr 2019 die zwei bekanntesten Romane von Shirley Jackson neu aufgelegt, nämlich „Spuk in Hill House“ und „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“. Ich habe sie beide gelesen und möchte sie dir hier genauer vorstellen. Gespoilert wird natürlich nicht, um dir das Leseerlebnis nicht zu verderben. Beide Romane sind auch bei kohsie direkt vorrätig, falls du nach diesem Beitrag Lust darauf bekommen hast, die Bücher selbst zu lesen.
Spuk in Hill House war das erste Buch, das ich von Shirley Jackson gelesen habe. Als Fan von Schauergeschichten ist mir Hill House natürlich ein Begriff. Immerhin wurde der Roman schon zweimal verfilmt, zusätzlich einmal als Theaterstück inszeniert und diente als Handlungsbasis einer Netflixserie (auch wenn die Serie nur die Basis der Geschichte übernimmt und später einem anderen Plot folgt). Aber bisher hatte ich tatsächlich noch nicht den Ursprungsroman gelesen, somit war dies für mich quasi fast ein heiliger Akt.
Schon bei den ersten Seiten wusste ich genau, dass es keine Übertreibung, sondern fast zu offensichtlich ist, dass Stephen King sich von Shirley Jackson inspirieren ließ. Kleiner Spoiler (aber keine Sorge, ist für die Geschichte nicht relevant), die Schwester der Hauptprotagonistin heißt Carrie. Aber anders als King erzählt Jackson weniger blutig und setzt nicht auf große Schockmomente. Ihr Horror ist viel subtiler und obwohl sie Gruselmomente einbaut, geht es in erster Linie eher darum, den psychischen Horror zu beschreiben, den die Protagonist:innen erleben.
Handlung:
Im Roman Spuk in Hill House verschickt Dr. John Montague, der sich mit dem Erforschen von übernatürlichen Ereignissen beschäftigt, Einladungen an unterschiedliche Personen, um sich mit mysteriösen Ereignissen in Hill House zu beschäftigen. (Wo genau sich Hill House befindet, wird im Buch nicht geklärt.) Er möchte wissenschaftliche Beweise für die Existenz des Übernatürlichen erhalten. Drei Personen folgen dieser Einladung. Zum einen Eleanor Vance, eine zurückgezogen lebende Frau, die sich um ihre Mutter vor deren Tod gekümmert hat und außer dieser, ihrer Schwester und ihrem Schwager jahrelang keinerlei Kontakt zu anderen Menschen hatte.

Die zweite Frau ist Theodora, eine Künstlerin und als drittes Luke Sanderson, der Erbe des Hauses. Im späteren Verlauf der Handlung kommen auch noch Mrs. Montague, die etwas arrogante Frau des Doktors hinzu. Sie bringt Arthur Parker mit, ein Direktor einer Knabenschule und nicht weniger arrogant. Beide setzen sich ebenfalls das Ziel, übernatürliche Begebenheiten in Hill House zu untersuchen und sind schon geübt darin, diese mit Hilfe von etwa Séancen sichtbar werden zu lassen.

Das Haus selbst steht seit Jahren leer und wird auch von den Bewohnern des nahen Dorfes gemieden. Lediglich das Hausmeisterpaar Mr. Und Mrs. Dudley kümmern sich tagsüber um die Instandhaltung und Reinigung von Hill House. Sobald es aber dunkel wird, verlassen sie das Gelände und kommen, nach eigener Aussage, nach Einbruch der Dunkelheit nie auch nur in die Nähe des Hauses.
Wir erleben die Geschichte aus der Sicht und Gedankenwelt von Eleanor und schon beim Eintreffen glaubt sie zu spüren, dass etwas Böses und Bedrohliches vom Haus ausgeht. Trotzdem nimmt sie all ihren Mut zusammen und betritt das Anwesen. Mit zunehmendem Aufenthalt ändert sich allerdings ihre Emotion und sie fühlt sich mehr und mehr zum Haus hingezogen. Auch das Haus selbst reagiert auf Eleanor unter anderem mit Botschaften an den Wänden. Oder ist es gar nicht das Haus?
Auch den anderen Gästen fällt auf, dass etwas Merkwürdiges passiert. Verliert Eleanor den Kontakt zur Realität? Gibt es wirklich übernatürliche Ereignisse in Hill House? Oder versucht das Haus selbst Eleanor zu vereinnahmen? Die Beantwortung dieser Fragen lasse ich offen, um dir den Lesespaß nicht zu verderben.
Mein Fazit zu „Spuk in Hill House“
Ich mochte das Buch sehr gerne, auch wenn es mich mit ein paar Fragen zurücklässt, die im Buch nie ganz beantwortet werden. Daher klingt die Geschichte noch einige Zeit nach, zumindest war es bei mir so. Ich hab das Buch innerhalb weniger Tage durchgelesen, weil ich den Schreibstil wunderbar finde und es einfach nicht aus der Hand legen konnte. Aber bitte erwarte keine Schreckmomente oder graphische Beschreibungen von blutigen Szenen. Der Horror von „Spuk in Hill House“ ist eher leise und subtil. Es ist mehr das, was nicht gesagt und deiner Fantasie überlassen wird, als die gruseligen Szenen, die im Buch beschrieben werden. Es dreht sich vor allem darum, was sich bei Eleanor im Kopf abspielt, welche Gefühle sie durchlebt und wie sich ihre Realität verändert. Ich mochte „Spuk in Hill House“ sehr gerne, allein wegen der großartigen Atmosphäre, die hier bloß durch Worte aufgebaut wird. Es ist wie einer dieser alten Geisterfilme, bei denen man sich gemütlich unter die Decke kuschelt und das angenehme Gefühl des Gruselns spürt, diese leichte Gänsehaut, die über den Rücken kriecht, ohne dass die Stimmung durch zu grafische Darstellungen verdorben wird.
Bei „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“ ist es ähnlich. Die Geschichte ist komplett anders, aber auch hier schafft es Shirley Jackson eine wunderbar düstere, einzigartige Gruselatmosphäre zu schaffen. Auch dieses Buch habe ich innerhalb weniger Tage verschlungen und kann es dir absolut empfehlen.
Handlung:
In einem alten Haus in Vermont leben Mary Katherine Blackwood, genannt Merricat, ihre ältere Schwester Constance und ihr Onkel Julian in völliger Abgeschiedenheit. Mary ist etwa 18 Jahre alt, wirkt aber in der Geschichte deutlich jünger. Bis auf einzelne Einkaufstouren von Mary ins Dorf und seltenen Besuchen von früheren Bekannten der Familie haben die Blackwoods keinen Kontakt zu anderen Menschen. Vor allem Constanze hat seit Jahren das Anwesen nicht mehr verlassen. Das liegt daran, dass sie einst angeklagt wurde, ihre komplette Familie mit Arsen vergiftet zu haben. Obwohl sie aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde, wird sie von den Bewohner:innen des Dorfes weiterhin als schuldig erachtet. Merricat hat den Giftanschlag überlebt, da sie zu besagtem Abendessen auf ihr Zimmer geschickt wurde. Onkel Julian hat ebenfalls überlebt, ist seitdem aber kränklich und sitzt im Rollstuhl.

So seltsam das klingen mag, so ist es doch ein mehr oder weniger friedliches Leben, welches die drei Mitglieder der Blackwood-Familie führen. Zwar erlebt Merricat auf ihren Einkaufstouren ins Dorf ab und zu Anfeindungen der anderen Einwohner:innen, doch zu Hause wirkt sie glücklich.

Das ändert sich, als Cousin Charles auftaucht. Schnell wird klar, er ist weniger an dem Wiederaufleben der Beziehung zu seinen Cousinen und seinem Onkel interessiert als vielmehr am vermuteten Blackwood-Vermögen. Er schafft es, Constance um den Finger zu wickeln, sehr zum Leidwesen von Mary. Sie ist eifersüchtig und versucht mit ihren ganz eigenen Mitteln, die teilweise magische Rituale beinhalten, gegen Charles vorzugehen. Der Konflikt eskaliert schließlich, doch nicht nur zwischen den Blackwood-Verwandten, auch die Dorfbewohner tragen ihren Teil zum großen Höhepunkt des Buches bei. Mehr will ich dir nicht verraten.
Mein Fazit zu „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“:
Dieses Buch von Shirley Jackson habe ich sogar noch mehr genossen als „Spuk in Hill House“. Vielleicht weil mir die Geschichte neu war, während ich die Story von Hill House zumindest schon in ähnlicher Form kannte. Außerdem mochte ich die Protagonistin Merricat unglaublich gerne, vielleicht weil ich mich in sie als Einzelgängerin so gut hineinversetzen konnte. Wie sie war ich als Kind gerne stundenlang allein, mit meiner Fantasie als einzigem und treuestem Begleiter. Ich war begeistert vom Aufbau der Geschichte, vom Plot, der sich nach und nach verdichtete, um sich schließlich in einem Höhepunkt zu entladen. Nur um danach nochmal eine überraschende Wendung zu nehmen.
Dieses Buch hallt ebenfalls eine Weile nach, zumindest war es bei mir so. Aber auch wie bei „Spuk in Hill House“ verzichtet Shirley Jackson bei „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“ auf allzu deutliche bildliche Darstellungen des Horrors. Auch wenn hier die Szenen teilweise deutlicher beschrieben werden, als bei „Spuk in Hill House“ bleibt der eigenen Fantasie noch jede Menge Raum, sich zu entfalten und selbst Schlüsse zu ziehen.
Für mich gibt es für beide Bücher eine absolute Empfehlung. Wenn du Fan des Horror- / Mystery- Gruselgeschichten-Genres bist, solltest du Shirley Jackson unbedingt lesen. Beide Bücher sind so gutgeschrieben, dass ich sie nicht mehr aus der Hand legen konnte und sie (beide) innerhalb einer Woche beendet hatte.
Kurzinfos zu den beiden Büchern von Shirley Jackson:
Spuk in Hill House
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: neu aufgelegt vom Festa-Verlag im Mai 2019
Seitenzahl: 320 Seiten
Wir haben schon immer im Schloss gelebt
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: neu aufgelegt vom Festa-Verlag im Mai 2019
Seitenzahl: 256 Seiten

Viel Spaß beim Lesen!
Deine,
