Offener Brief

An die Geschäftsführung der Libri GmbH und die Vorstände der eBuch e.G.
Rechte Verlage in Onlineshops unabhängiger Buchhandlungen

 

27.April 2023

Sehr geehrte Frau Alyna Wnukoswky, sehr geehrter Herr Ulrich Vollmer,
Sehr geehrte Frau Angelika Siebrands, sehr geehrter Herr Bernhard Schäfer,

diverse Medien haben das Thema bereits aufgegriffen und über die Maßnahmen der Kolleg*innen von Kohsie und She said gegen die Präsenz rechtsradikaler Verlage in unseren Onlineshops berichtet.
Unter anderem die Frankfurter Rundschau machte in ihrem Artikel vom 01.04.23 diese Kritik unter der Überschrift

Rechtsradikal und rassistisch – Der deutsche Buchhandel hat ein Problem (fr.de)

öffentlich.

 

Das ist keine gute Presse, oder? Und ja, das sollte uns ärgern und zum Handeln veranlassen!

Es entspricht ganz und gar nicht den Werten unserer Buchhandlungen, der menschenfeindlichen Literatur der Verlage, die u.a. von der Bundeszentrale für politische Bildung dem rechten Spektrum zugeordnet werden, Sichtbarkeit in unseren Verkaufsräumen zu geben. Dort lehnen wir den Handel mit dieser Art von Literatur konsequent ab. Das gleiche Prinzip wollen wir auch in unseren Webshops widerspiegeln und durchgängig anwenden. Diesem Anspruch steht die derzeitige Praxis der von Libri und eBuch (mit „genialokal“) in Dienstleistung angebotenen White-Label Webshoplösung entgegen, welche derzeit von rund 1.300 Buchhandlungen zur Teilnahme am Onlineverkauf in Anspruch genommen wird.

Die aktuelle technische Ausgestaltung des Shopsystems führt dazu, dass alle Literatur, der mit Libri in Geschäftsbeziehung stehenden Verlage, automatisch auch in allen Webshops jener Buchhandlungen angeboten werden, die mit der Libri und bzw. mit der genialokal Shoplösung von eBuch am Onlinehandel teilnehmen. Bedauerlicherweise umfasst dies auch rechte Verlage, mit denen Libri bzw. eBuch Geschäftsbeziehungen unterhalten.

Es ist die freie unternehmerische Entscheidung von Libri und eBuch (mit „genialokal“) welche Verlage, Autor*innen und Titel sie listen. Als Barsortiment fällen Sie die Entscheidungen auf anderer Basis als wir Buchhändler*innen. Gleiches Recht der Sortimentshoheit nehmen wir für uns aber auch in Anspruch und entscheiden selbst darüber, welche Titel, Autor*innen und Verlage wir in unserem Namen in unseren Shops anbieten – so, wie wir es auch in unseren Ladenlokalen tun. Es geht um unseren Ruf und unsere Seriosität. Doch vor allem geht es um unsere ethischen Grundsätze und um die Sicherheit von Mitarbeiter*innen und Kund*innen, die von Rassismus, Antisemitismus und jeglicher Art rechter Gewalt betroffen sind. Und es geht um die Solidarität mit all denen, deren Existenz durch die Inhalte rechter Bücher angegriffen wird.

Und wir finden es zunehmend ärgerlich, wenn Kritik aus unseren Reihen immer wieder weggewischt wird und wir Buchhändler*innen mit Anfragen bei Libri und eBuch wieder und wieder ins Leere laufen. Der ewige Verweis auf Meinungsfreiheit, den sich auch Libri und eBuch immer wieder zu eigen macht, ist billig. Und in der inflationären Nutzung in unserer Branche, um sich mit Kritik einfach nicht auseinandersetzen zu müssen, unverschämt und sogar schädlich für die Meinungsfreiheit, weil dann z.B. echte Angriffe darauf nicht mehr erkannt werden.

Mit Zensur hat dies alles im Übrigen nichts zu tun, auch wenn die Debatten immer wieder in diese Richtung weisen. Zensur ist eine Kategorie staatlicher Institutionen aber nicht von Unternehmen derPrivatwirtschaft, wozu die Buchbranche wohl zweifelsfrei gehört.

Die derzeit bereitgestellte Sperrmöglichkeit bei Libri auf Titelebene muss von jeder einzelnen Buchhandlung in Eigenarbeit der Recherche und Überwachung der entsprechenden Verlage durchgeführt werden, wenn der eigene Webshop frei von Literatur rechter Verlage bleiben soll. Der regelmäßige Zeitaufwand dafür verursacht redundante Kosten, da ein und dieselbe Arbeit kontinuierlich in jeder Buchhandlung jeweils im eigenen Webshop ausgeführt werden muss. Dass es nicht einmal eine einfach zu handhabende Exportfunktion aus Quimus gibt, um entsprechende Verlage oder Themen gebündelt mit Angabe der EAN in Excel übertragen zu können, erschwert den Prozesszusätzlich.

In den ca. 700 Genialokal-Webshops der eBuch, welche ebenfalls das Libri Shopsystem nutzen, ist es überhaupt nicht möglich einzelne Titel zu sperren. Das heißt, diesem Buchhandlungen werden in der technischen Ausgestaltung auf die Darstellung der Verkaufsabsicht von Literatur rechter Verlage verpflichtet.

Wir fordern hiermit von Libri zeitnah die technische Verwaltung des Online-Shopsystems dahingehend bereitzustellen, dass das geführte Sortiment rechter Verlage mühelos mit einem Mausklick gesperrt werden kann. Zeitfracht ermöglicht seinen Kund*innen den Ausschluss von Verlagen in deren White Label-Shops. Eine technische Lösung ist also definitiv möglich. Die Möglichkeit des Ausschlusses von Verlagen z.B. über das ISBN-Präfix scheint keine große Programmierleistung zu erfordern.

Auch wenn Sie für sich das zweifelhafte Argument der Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen, um die eigene Geschäftstätigkeit mit rechten Verlagen zu rechtfertigen. Es sollte für in einer Demokratie tätige Unternehmen der Literaturbranche eine Selbstverständlichkeit sein, sich daran zu beteiligen den Marktzugang für jene, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, zu erschweren, statt zu vereinfachen.

Wir als Verantwortliche, die wir mit unseren Namen für das Sortiment in unseren Webshops stehen, fordern von Libri eine Artikel-Shopverwaltung mit Zustimmungsverfahren (Opt-In) auf Verlagsebene. Nicht wir als Buchhandlungen sollten multiplen Aufwand haben, rechte Verlage von unseren digitalen Verkaufsstellen fernzuhalten. Darüber hinaus fordern wir eine technische Lösung für den einfachen
Export von EANs und Titellisten aus der Quimus-Bibliographie zur weiteren Verarbeitung in gängigen Dateiformaten.

Für eine Zusammenarbeit bei der Umsetzung der nötigen Maßnahmen und Anfragen, welche Bedürfnisse Buchhandlungen haben, stehen wir gerne zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Die Erstunterzeichnenden:

 

Initiierende Erstunterzeichnende:

Sarah Miriam und Danny Lutzemann, Kohsie Diversity Buchhandlung, Halle (Saale)

Frauke Prayon, Buchhandlung Andere Seiten, Frankfurt a.M.

Büchergilde Buchhandlung & Galerie, Frankfurt a.M.

Elvira und Walter Hanemann, Buchhandlung Thaer, Berlin

She said – bookshop for female and queer authors, Berlin

 

Erstunterzeichnende:

A. Kolb, Der Laden am Dorfbrunnen, Utting

Buchhandlung Sedlmair OHG, Georgsmarienhütte

Christina Altwicker, Buchhandlungen Hansen & Kröger, Wiehl

Ulrike Bednarz, Mazal Grewing, Jürgen Bode, Hoehlsche Buchhandlung, Bebra

Buchhandlung Götz & Wetzels oHG, Hamburg

Jutta Sauerwald, Siebter Himmel Bastei Lübbe GmbH, Köln

Katrin Mirtschink, Pankebuch, Berlin

Verena Keller, Buchhandlung Böttger,Mannheim

Michaela Roll-Witt und Andrea Grohn, Grohnsche Buchhandlung, Berlin

Petra Dittrich, DER BUCHLADEN RÜGEN, Gingst/ Insel Rügen

Agnesbuchhandlung, Köln

Unforgotten Books Buchhandlung, Berlin

Irmi Schott, Blatt & Buch, Eislingen/Fils

Anita Grall und Andreas Hemminger, raban Buch, Tübingen

Carl-von-Ossietzky-Buchhandlung * Klaus Werner & Co. KG, Flensburg

Christina Kelm, Lesekatze – Bücher und mehr, Alzenau

Buchhandlung Godolt, Berlin

Kirsten und Franziska Behnke, Kiebitz Buch und Leben, Wittenburg

Nana Agic-Kunisch, Buchhandlung Happy, Frankfurt a.M

prolibri Buchladen, Mönchengladbach

MAIKE KNOFF, BÜCHERWURM, Wentorf

Holger Mehlhardt, Inh. NATURA-Fachbuchhandlung, Kleinmachnow

Manuela Harm, Der Buchladen, Vaterstetten und Haar

Evelyn & Ralf Matreitz, Immanuel Buchhandlung, Essen

Anne-Lene Alyanak, Leporello Buchhandlung, Stuhr

Günter Krause-Friebertshäuser, Bücher vorOrt, Frankfurt a.M.

Hannelore Adler, Arno Adler Buchhandlung u. Antiquariat, Lübeck

Sonja Möller-Freyberger, Genniges Bücher, Roth

S. Loh, Büchertreppe, Wettenberg

Elisabeth Stein-Salomon, Akademische Buchhandlung Knodt, Würzburg

Buchhandlung ebertundweber, Berlin Kreuzberg

Johanna Binger, Büchergilde Buchhandlung, Berlin

Heinz J. Ostermann, Buchhandlung Leporello, Berlin

Libelle Buchhandlung, Berlin Alt-Treptow

Sven Odens, Buchhandlung Buntentor, Bremen

Kerstin Ullrich, Vogtländische Buchhandlung, Reichenbach

Cornelia Krummrich und Bernhard Schmidtmann, Buchhandlung Tintenherz, Erfurt

Ingrid Röder und Gertrud Selzer, Buchhandlung Rote Zora, Merzig und Losheim

Bettina Roetzer, Giesinger Buch Handlung, München

Frauenbuchladen Xanthippe, Mannheim

Kleefelder Buchhandlung, Hannover

Stefanie Magh, Inhaberin von Bücher Weyer, Köln

 

Weitere Unterzeichnende:

Claudia und Holger Reinhardt, Reinhardts Lesewald, Zülpich

Jana Prokop, Buchlounge Zehlendorf oHG, Berlin

Katharina Opitz-Klüß und Florian Opitz, BuchKultur Opitz, Konstanz

Suse Mertens und Silvia Becker, Buchladen Hilberath und Lange, Mülheim an der Ruhr

Buchhandlung ZweiEinsDrei, Hamburg-Altona

Dirk Strehl, Buchhandlung Auslese, Herford

Eulenspiegel Buchladen, Bielefeld

Juicy – queerfem Sexshop, Leipzig

Timo Muth, Rainbookworld

Luna Möbius, Vielfaltsreferent*in BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sachsen-Anhalt

Kim Bagley, Aktivistin

Franziska Kietzmann, Halle (Saale)

Ina Raki, Autorin, Schreibberaterin und Lektorin

John Liebau, Vielfaltspolitischer Sprecher BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sachsen-Anhalt

Katharina Horn, Landesvorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Mecklenburg-Vorpommern

F.K.M. Blessin, Illustrator

Susan Sziborra-Seidlitz, MdL BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Leserin, Sachsen-Anhalt

Arvid Wünsch, Halle (Saale)

Dorothee Gläsner, Merzig (Saar)

Mika Taube, Halle (Saale)

Jugendnetzwerk Lambda Mitteldeutschland e.V.

Jana Stäbener, Journalistin Buzzfeed

GRÜNE JUGEND Halle (Saale)

Christiane Hahn, Buchhandlung Anakoluth, Berlin

Christine Claussen, Berlin

Lara Marković, vielfaltspolitische Sprecherin KV Halle (Saale) BÜDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kerstin Müller, Wörterkatze

Vanessa Engeln, Buchhandlung Schwarte, Wiesbaden

Paulina Löffelholz, Neunkirchen-Seelscheid

Denise Litzrodt, Halle (Saale)

Stefanie Rost, Rudersberg

Wilma Plettenberg, Halle (Saale)

Freddy Schmies, Halle (Saale)

Lilli Pachaly, Halle (Saale)

Corinna Hegener und Sebastian v. Gersdorff, Buchhandlung Subtext, Dachau

Miriam Heuschen und Team, Buchhandlung BuchKultur, Köln Riehl

Anne N., Halle (Saale)

w_orten & meer Verlag für verbindendes diskriminierungskritisches Handeln

Thomas Merten vom Team der Buchhandlung el libro, Leipzig

Barbara Hüchting, Findorffer Bücherfenster, Bremen

Anke, Lisa & Cami, ROTORBOOKS, Leipzig

Harald Mücke, Buchladen Zapata GmbH, Kiel