An das Buch „Land in Sicht“ von Ilona Hartmann bin ich tatsächlich sehr unbedarft rangegangen, da ich einfach ein Buch für zwischendurch gesucht habe, das nicht so dick ist. Zudem sind auf der Rückseite Empfehlungen von u.a. Charlotte Roche, Sonja Heiss und Ronja von Rönne aufgedruckt, die das Buch anpreisen. Also gab ich ihm eine Chance und wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil.
Zum Inhalt:
Das Buch handelt von der weiblichen Hauptprotagonistin Jana Bühler, die ohne Vater aufgewachsen ist und sich bisher nicht viele Gedanken über diese Tatsache gemacht hat.
„Mich störte am meisten das diffuse Gefühl, anders zu sein als die anderen obwohl ich mich nicht anders fühlte.“
Irgendwann jedoch lernt sie in einer Bar einen Mann kennen, der ihr erzählt wie er erst mit 18 Jahren seinen Vater kennengelernt hat und dass dieses Ereignis bei ihm eine Wunde geschlossen hätte, von deren Existenz er zuvor überhaupt nichts gewusst hätte. Diese Unterhaltung bringt Jana ins Nachdenken. Nicht nur das, plötzlich fallen ihr überall die Väter auf, die sie vorher nie bewusst wahrgenommen hat; auf Spielplätzen, in öffentlichen Verkehrsmitteln und einfach so, auf der Straße. Sie kommt ins Grübeln und verspürt eine Sehnsucht nach einem Menschen, den sie nie kennengelernt hat. Schließlich fasst Jana einen Entschluss: sie möchte ihren Vater finden und kennenlernen.
Die Umsetzung ist tatsächlich denkbar einfach. Sie entdeckt die Kontaktdaten im Adressbuch ihrer Mutter und findet heraus, dass ihr Vater Kapitän eines Flusskreuzfahrtschiffs ist. Also bucht Jana sich selbst ein Ticket auf ebendiesem Kreuzer um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Die Geschichte hat mich direkt auf den ersten paar Seiten angesprochen, da ich selbst ohne Vater aufgewachsen bin. Ilona Hartmann schafft es ausgezeichnet, die Gefühle und Gedanken von Jana zu beschreiben die ich sehr gut nachvollziehen kann. Dieses Gefühl, sich ganz normal zu fühlen, während die Menschen um einen herum bedauernd glauben, dass etwas fehlen würde. Gleichzeitig aber auch irgendetwas zu vermissen, was nie wirklich greifbar in Worte gefasst werden kann.
Diese Ambivalenz wird in „Land in Sicht“ gut ausgedrückt, ohne je ins Kitschige oder Klischeehafte zu wechseln. Das liegt sicherlich daran, dass die Autorin Ilona Hartmann selbst ohne Vater aufgewachsen ist und der Roman durch ihre eigene Biografie inspiriert wurde.
„Mir tat nichts weh. Ich dachte nicht nach über meinen fehlenden Vater, ich vermisste nichts und schon gar nicht diese unkonkrete Person. Auch ohne ihn hatte ich zu jedem Zeitpunkt in meinem Leben genug Probleme. Anders gesagt: Ohne Vater aufzuwachsen war die meiste Zeit ziemlich normal oder wurde zu dem, was ich für normal hielt.“
Neben der angesprochenen Thematik ist „Land in Sicht“ aber auch einfach ein sehr unterhaltsames Buch. Ich mag den trockenen Humor von Ilona Hartmann sehr. Sie hat ein schönes Auge für Details, die scheinbar belanglos sind, aber bei genauerer Betrachtung diese kleinen, ganz besonderen Momente des Alltags ausmachen. Und solche Details gibt es viele im Buch, denn das Kreuzfahrtschiff, auf dem sich Jana einbucht, ist immerhin ein Flusskreuzfahrtschiff und somit schon mal etwas ganz Anderes als die schwimmenden Ozeanriesen, die man sonst mit Kreuzfahrt assoziiert.
„Es ist die ideale Art zu reisen für Menschen, die noch ein bisschen was von der Welt sehen wollen, aber bitte nicht Zuviel.“
Hinzu kommt, dass sich auf der MS Mozart vorrangig Rentner*innen befinden. Doch trotzdem ist das Schiff alles andere als schäbig. Die Protagonistin beschreibt wunderschön das ganz besondere Ambiente und freundet sich recht schnell sowohl mit ihrer Unterbringung als auch mit einigen ihrer Mitreisenden an.
Dieser Roman mag zwar kurz sein, klingt jedoch noch einige Zeit nach. Er beschreibt mehr als eine Reise auf einem Schiff von Passau nach Wien. Es ist eine Reise der Protagonistin zu sich selbst, zum Finden der eigenen Identität und der Antwort auf die Frage, ob wir wirklich nur die Hälfte von etwas sind, wenn wir aufwachsen ohne ein Elternteil zu kennen, oder ob es in Wirklichkeit nur die Idee der Gesellschaft ist, dass etwas fehlen müsste.
„Es stand immer der Vorschlag im Raum, dass mir etwas fehlen müsste, dass ich aber nicht vermissen konnte, weil ich es einfach nicht kannte.“
Für mich war die Lektüre von „Land in Sicht“ eine reine Freude, weshalb ich das Buch auch innerhalb eines Tages in mehr oder weniger einem Rutsch durchgelesen habe. Wenn du einen schönen, unterhaltsamen Roman suchst, der leicht daherkommt und dennoch immer mal wieder tief im Gefühl trifft, dann kann ich dir diesen Roman absolut empfehlen.

Kurzinfo zu „Land in Sicht“ von Ilona Hartmann:
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 2020
Seitenzahl: 160 Seiten
Hier im Onlineshop kannst du dir, wenn du magst, ein Exemplar direkt vorbestellen und bequem im Laden abholen. Hier geht´s zu „Land in Sicht“ im kohsie Onlineshop.
Oder du kommst einfach direkt bei uns vorbei.
Viel Spaß beim Lesen,
Deine
