Die stillen Gefährten ist auch eines der Bücher das ich unbedingt lesen wollte. Immerhin lautet der Subtitle: Eine viktorianische Geistergeschichte. Wie ich es fand und ob es wirklich so gruselig ist, kannst du hier lesen.
„Die stillen Gefährten“ wurde verfasst von Laura Purcell. Diese Ausgabe, auf die ich mich in dieser Rezension beziehe, ist Anfang 2021 beim Festa-Verlag erschienen.
Inhalt:
Die Geschichte spielt im Jahr 1866 in England. Hauptprotagonistin Elsie heiratet den reichen Erben Rupert Bainbridge. Damit hofft sie ihrem bisherigen Leben als Tochter eines Zündholzfabrikanten zu entkommen und fortan im Luxus zu leben. Doch Rupert stirbt nur wenige Wochen nach der Hochzeit und lässt Elsie als Witwe zurück. Noch dazu ist sie schwanger. Somit verlässt Elsie London und bezieht das alte Landgut „The Bridge“ ihres verstorbenen Ehemanns. Als Gesellschaft steht ihr Ruperts Cousine Sarah zur Seite, die mit ihr ins neue Zuhause zieht.
Während die Dienerschaft des Landhauses die neue Herrin eher reserviert und teilweise sogar fast ablehnend behandelt, wird Sarah mehr und mehr zur Vertrauten. Schon bald nach dem Einzug von Elsie sind nachts seltsame Geräusche zu hören und schließlich öffnet sich eine Tür im Haus, die bisher fest verschlossen war. Darin findet sich ein altes Tagebuch und eine lebensgroße Holzfigur, eine stille Gefährtin.
Elsie und Sarah beschließen, das Tagebuch zu lesen und die Gefährtin aus dem Raum zu befreien, nichtsahnend, dass sie damit Ereignisse wieder in Gang setzen, die vor 200 Jahren in eben diesem Haus ihren Anfang genommen haben. Schon bald werden alle Bewohner*innen im Haus am eigenen Leib erfahren, was es mit der Gefährtin auf sich hat. Auch die düsteren Geheimnisse der eigenen Vergangenheit der Bewohner*innen von „The Bridge“ drängen mehr und mehr an die Oberfläche.

Fazit:
Was mir an diesem Buch sehr gefallen hat, war die düstere viktorianische Geisterhaus-Atmosphäre. Zudem mochte ich die Hauptprotagonistin, bei der sehr anschaulich beschrieben wird, welche Kämpfe sie als Frau in den 1860er Jahren ausfechten muss. Sie wird zu oft von den männlichen Personen in ihrem Umfeld nicht ernst genommen, muss sich jede kleine Freiheit erarbeiten und es wird ihr teilweise sogar abgesprochen, ein erwachsener Mensch zu sein der selbst über sein Leben entscheiden kann. Das verursacht zunehmend Wut, bei Elsie selbst als auch bei mir als Leserin.
Sowohl Elsie als auch Sarah, die Cousine von Rupert Bainbridge, vollziehen im Buch eine Wandlung von naiv und manchmal fast hilflos wirkend zu stark und kämpferisch.

Eine Protagonistin, die bei mir leider nicht so gut ankommt, ist Anne Bainbridge. Anne ist die Verfasserin des Tagebuchs, das Elsie und Sarah finden und lesen. Leider wird Anne sehr klischeehaft dargestellt. Sie ist kräuterkundig und fast allein diese Tatsache reicht aus, um sie für die Menschen im Dorf als Hexe abzustempeln. Zudem wird Anne sehr hilflos gegenüber ihrem Ehemann dargestellt und ordnet sich diesem permanent unter. Noch dazu ist sie sehr rassistisch und äußert sich mehrmals abfällig gegen die Roma, die in der Nähe von „The Bridge“ leben.
Die Autorin versucht zwar darzustellen, dass damit den Roma großes Unrecht angetan wird, aber dennoch wird der Rassismus damit leider reproduziert. Es wird klar, was sie damit ausdrücken möchte, aber mir reicht die beschriebene Reflexion von Anne Bainbridge zu diesem Thema irgendwie nicht aus. Es wird auch mehr als einmal das Z-Wort benutzt.
Meiner Meinung nach ist dieser Rassismus, den Anne Bainbridge hier ausübt, für die Geschichte und deren Verlauf noch nicht einmal nötig. Laura Purcell hätte dies auch definitiv anders erzählen (oder einfach weglassen) können, ohne dass der Hauptplot um die stillen Gefährten und die Geschehnisse im Landhaus damit drastisch verändert werden würde.
Das ist leider sehr schade, denn der größte Teil der Geschichte ist wirklich gut, die Wendungen des Plots sind sehr gelungen und schaffen es bis zum Ende, Spannung zu erzeugen und uns als Leser*in zu überraschen. Auch die Horrormomente mag ich sehr, vor allem da es sich von anfänglich nur subtilen Gruselmomenten zu echtem Horror steigert, der durchaus auch die ein oder andere blutige Szene beschreibt.
Die im Buch erwähnten Stillen Gefährten gab übrigens es wirklich. Diese Holzfiguren waren im Amsterdam des 17. Jhd. ein Trend.
Ich befinde mich mit diesem Buch daher in einem richtigen Zwiespalt, da ich „Die stillen Gefährten“ einerseits durchaus als guten Gothic- bzw. viktorianischen Horrorroman empfehlen würde. Andererseits trage ich damit dazu bei, dass der, wie ich finde, nicht ausreichend reflektierte Rassismus in der Geschichte und die Verwendung des Z-Wortes weiterverbreitet werden. Daher mein Appel, falls ihr euch für dieses Buch entscheidet: Seid wirklich achtsam und reflektiert euch selbst bei bzw. nach der Lektüre. Und lasst mir gerne mal einen Kommentar da, wie ihr über diesen Zwiespalt denkt bzw. damit umgeht.
Kurzinfo zu „Die stillen Gefährten“ von Laura Purcell
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 2021 (diese Ausgabe)
Seitenzahl: 443 Seiten
Hier findest du „Die stillen Gefährten“ im kohsie Onlineshop.

Viel Spaß beim Lesen,
Deine
